Barghoutis Brief über den Hungerstreik der palästinensischen Häftlingen, abgedruckt in der NYT, sorgte in Israel und den USA für große Aufregung. Hier eine deutsche Übersetzung. Über den Autor hieß es erklärend, er sei ein „palästinensischer Führer und Parlamentarier“. Die NYT-Redaktion sah sich nach 24 Stunden Protest genötigt zu einer ergänzenden „editor’s note“, nämlich dass Barghouti in Israel zu fünf mal lebenslänglich wegen Mord und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt sei.
Die Nachricht von dieser „Klarstellung“ verbreitete sich in Israel wie ein Lauffeuer über die sozialen Medien, was wiederum Haaretz zu einem bissigen Kommentar veranlasste. Es wäre wieder das gut erprobte Ritual abgelaufen: „Man regt sich in Israel auf über einen kleinen Fehler, oder der Autor wird angegriffen und seine Motive in Zweifel gezogen, oder die Zeitung oder das Medium, das den Artikel veröffentlichte, wird attackiert, und vor allem wird gefragt, wie so etwas möglich sei und wer dafür zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Die Öffentlichkeit in Israel erteile sich auf diese Art die Absolution und müsse sich nicht mehr mit dem Inhalt beschäftigen. Im Fall von Barghouti: dass er physisch gefoltert worden sei, dass fast eine Million Palästinenser über die Jahre inhaftiert wurden, dass die Zahl der Täter aus politischer Überzeugung absurd hoch sei, ob es wirklich klug sei, zur Zeit 6.500 von ihnen einzusperren, und so weiter.“
Es gäbe, so der Haaretz-Kommentator, ein Leitmotiv im fortdauernden Krieg Israels und seiner Unterstützer gegen die sogenannte feindliche Presse, nämlich „Niemals von der Besatzung reden!“ In einem Interview mit dem IDF-Radio (Militärsender in Israel) wurde das auch klar von Michael Oren, dem Ex-Botschafter in den USA, formuliert. Der Bericht von Barghouti in der NYT sei ein „media terror attack“ gegen Israel gewesen. Und, weil während der Osterfeiertage veröffentlicht, auch latent antisemitisch. Und, wie Trump schon richtig bemerkt hatte, sowieso „fake news“.
Hier die Editors’ Note der NYT vom 17. April 2017.
„This article explained the writer’s prison sentence but neglected to provide sufficient context by stating the offenses of which he was convicted. They were five counts of murder and membership in a terrorist organization. Mr. Barghouti declined to offer a defense at his trial and refused to recognize the Israeli court’s jurisdiction and legitimacy.“
Quelle: https://www.nytimes.com/2017/04/16/opinion/palestinian-hunger-strike-prisoners-call-for-justice.html
Sönke Hundt