Online-Petition: Unterstützung des Hungerstreiks der palästinensischen Gefangenen. Die Petition, für die wir schon auf der letzten Mahnwache am Sonnabend angefangen haben, Unterschriften zu sammeln, kann jetzt auch online auf „openPetition“ unterschrieben werden. openPetition ist eine viel genutzte Plattform und für diese Zwecke sehr geeignet. Auf Mausklick öffnet sich eine Seite mit dem Text der Petition und Möglichkeit zur Unterschrift – mit vollem Namen und Adresse oder anonym. Nach dem Beantworten einer Bestätigungsmail wird die Unterschrift gültig, Es ist auch möglich, die online-Petition an Freund/innen und Bekannte weiterzuleiten. Die Initiatoren aus Bremen hoffen auf rege Beteiligung!
Hier der Text der Petition
Unterstützung des Hungerstreiks tausender palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen
Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, sich für Verhandlungen einzusetzen und die Forderungen der palästinensischen Gefangenen zu unterstützen. Wir erklären unsere Solidarität mit der palästinensischen Gefangenenbewegung. Die palästinensischen Gefangenen haben ein Recht auf eine rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Behandlung!
Für die Beendigung der israelischen Besatzung in Palästina und gegen jede Art von politischer Haft oder Verfolgung. Der Hungerstreik und der gewaltfreie Widerstand gegen die völkerrechtswidrige Besatzung darf nicht kriminalisiert werden.
Begründung:
Fast 7000 Palästinenser/-innen sind derzeit in israelischen Gefängnissen inhaftiert. Mehr als 500 Gefangene davon in sogenannter Administrativhaft, eine Haft ohne Verfahrensgarantien bzw. Gerichtsverhandlung und für unbegrenzte Zeit. Zudem werden dort mehr als 380 Minderjährige und über 57 Frauen festgehalten. Eine beachtliche Anzahl der Gefangene besteht aus Beamten der palästinensischen Autonomiebehörde und 13 Abgeordneten.
Seit 1948 hat Israel über 800.000 Palästinenser/-innen aus politischen Gründen inhaftiert. Die andauernde Strafverfolgung aus politischen Gründen verhindert jede Chance auf Frieden.
Die Haftbedingungen sind menschenrechtswidrig und widersprechen jeglicher Rechtstaatlichkeit. Deshalb sind seit dem 17. April 2017 auf Initiative von Fatah-Gefangenen etwa 1800 palästinensische politische Gefangene in einen Hungerstreik getreten. Die Zahl der streikenden Gefangene erhöht sich täglich. Geführt vom Fatah-Leader Marwan Barghuthi (verurteilt zu fünf mal lebenslanger Freiheitsstrafe) wollen die Gefangene gegen diese Haftpolitik protestieren. Der Fatah-Bewegung schlossen sich mehrere palästinensische Gefangenengruppierungen und Persönlichkeiten an. Mitstreiker sind u.a. Abgeordnete des Palästinensischen Legislativrates und der Generalsekretär der Volksfront zur Befreiung Palästinas (verurteilt zu 30 Jahren Haft), der Finanzdirektor der palästinensischen nachrichtendienstlichen Behörde (verurteilt zu 20 Jahren Haft) und Karim Younis, der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde und sich schon seit 35 Jahren in Haft befindet.
Den Forderungen der Gefangenen muss aus rein humanitären Gesichtspunkten Gehör geschenkt werden. Zu den Forderungen der Bewegung zählen etwa der Zugang zu Telefonen, Erlangung des Besuchsrechtes, das Recht auf ein Familienfoto, die Achtung der Bedürfnisse und Ansprüche von den Gefangenen Frauen, bessere medizinische Versorgung v.a. unabhängig von der finanziellen Situation des Gefangenen, das Recht auf Fortbildung und Studium, der Zugang zu Büchern und Zeitschriften, die Klimatisierung von einigen Gefängnissen v.a. Megiddo und Gilboa, die Beendigung der Administrativhaft und die Beendigung der Isolationshaft.
Weder die israelische Regierung noch die Gefängnisaufsicht sind zu Verhandlungen mit den Gefangenen bereit. Einige Häftlinge, darunter auch Marwan Barghuthi selbst, sind in andere Gefängnisabteilungen verlegt worden. Kranke Gefangene dürfen nicht in zivile Kliniken gebracht werden. Die Forderungen der Häftlinge wurden vom Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, als unangemessen bezeichnet.
Im Namen aller Unterzeichner/innen.
Bremen, 23.04.2017 (aktiv bis 20.05.2017)
Neue Informationen über den Hungerstreik
Diesmal haben unsere Medien über palästinensischen zivilen Widerstand informiert: Die Tagesschau, die Süddeutsche Zeitung und zahlreiche online-Medien berichteten nach Ostern über den Hungerstreik von 1.300 palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Auslöser war, dass ein Brief des berühmtesten unter ihnen, Marwan Barghouti, Mitglied des Zentralkomitees der Fatah und populärster palästinensischer Politiker, aus dem Gefängnis heraus in der Ostersonntags-Ausgabe der New York Times (hier das englische Original) erschienen war. Dass ein so einflussreiches liberales, bisher grundsätzlich Israel-freundliches Medium wie die NYT der palästinensischen Seite die Möglichkeit einer subjektiven Selbstdarstellung gibt, ist eine Sensation. Auf diese für die israelischen Behörden unerwartete Veröffentlichung hin wurde der 58-Jährige Barghouti prompt in Einzelhaft verlegt und hat nun gar keinen Kontakt mehr zur Außenwelt.
Eine Übersetzung des Briefes von Barghouti ins Deutsche von Jürgen Jung können Sie hier lesen.
In Anbetracht des grundsätzlich vorsichtigen Umgangs der großen deutschen Medien mit israelkritischen Inhalten begrüßen wir sehr dieses Medienecho in Deutschland. Über die von amnesty international und anderen Gefangenenhilfsorganisationen beklagten Missstände der israelischen Besatzungsjustiz und in den Gefängnissen wird leider immer noch nicht in aller Deutlichkeit berichtet – siehe unten, letzter Absatz.
Das Konterfei von Marwan Barghouti ist in Palästina vielerorts zu sehen (Foto: Screenshot vom Schweizer Magazin watson)
Marwan Barghouti – heute Ikone des gewaltfreien Widerstands
Marwan Barghouti hat über die Hälfte seines Lebens in israelischen Gefängnissen verbracht. Er kam immer wieder frei, wurde immer wieder verhaftet – auch ohne Anklage, so wie viele andere PslästinenserInnen – und wurde in einem politisch motivierten Prozess zu einer mehrfach lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. In der SZ vom 19. April 2017 zeichnet Peter Münch ein interessantes Porträt von Barghouti.
Anders als zur Zeit der ersten und zweiten Intifada setzt er heute auf friedlichen Widerstand gegen Israel und zugleich auf Verhandlungen. 2016 wurde er von einer Gruppe von Nobelpreisträgern um Adolfo Pérez Esquivel für seine Versöhnungsarbeit und den gewaltfreien Freiheitskampf für sein palästinensisches Volk für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Roderich Kiesewetter bezeichnet Marwan Barghouti als Hoffnungsträger; der altehrwürdige israelische Friedensaktivist Uri Avneri beschreibt ihn in seiner aktuellen Kolumne (wie viele andere auch) als den ‚palästinensischen Nelson Mandela‘.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung Ramallah führte gerade ein Interview mit Barghoutis Ehefrau Fadwa, das Sie hier auf Deutsch nachlesen können.
Forderung an die Bundesregierung
Annette Groth, BIB-Mitglied und menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, erklärte anlässlich des palästinensischen Tags des politischen Gefangenen und des Beginns des Hungerstreiks: „Seit Jahrzehnten verweigern israelische Behörden, Sicherheitsdienste und Regierungen den Tausenden von politischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen die elementarsten und völkerrechtlich verbrieften Rechte. Selbst Kindern wird der Kontakt zu Eltern und Anwält*innen vorenthalten, sie werden in Isolationshaft genommen und sogar Folter an Kindern ist laut einer Studie von UNICEF weit verbreitet, systematisch und institutionalisiert. (…) Ich fordere die Bundesregierung auf, sich gegenüber ihren israelischen Partnern mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die vielmals willkürliche Verhaftung von Palästinenser*innen ein Ende nimmt und in den Gefängnissen eine menschenwürdige Behandlung Einzug hält. Insbesondere die Einhaltung der Kinderrechtskonvention muss hier oberste Priorität haben!“
Wer mehr erfahren möchte …
Weiterführende und gut recherchierte Informationen zum Thema finden Sie online im Palästina-Portal sowie im Nahost-Forum Bremen, ebenso auf dieser Seite von amnesty international. Auch in zwei älteren „Themen der Woche“ (TdW), unserem TdW #2 und TdW #12, können Sie viel über palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen erfahren.
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): BIB (Bündnis für die Beendigung der israelischen Besatzung) Thema der Woche #19: Hungerstreik