Endlich: linke Medien berichten über den Skandal um die ev. Akademie Tutzing

Für den 12. bis 14. Mai 2017 hatte die Evangelische Akademie Tutzing in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie München und der Petra Kelly-Stiftung ein Symposium zum Thema „Nahostpolitik im Spannungsdreieck. Israelisch-palästinensische Friedensgruppen als Lernorte für deutsche Politik?“ geplant. Zu dieser Tagung wurden friedensbewegte Israelis und Palästinenser, wie auch deutsche Politiker, Journalisten und Intellektuelle von den Veranstaltern eingeladen.

Am 12. April erreichte die Organisatoren die Mitteilung von Frau Dr.  Ulrike Haerendel aus Tutzing, dass nach „schwierigen Diskussionen und heftiger Kritik“ Herr Direktor Hahn das Tagungsprojekt verschoben habe. Die Begründung: es sei „nicht gelungen ist, alle für das Thema maßgeblichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in angemessener Zahl zu gewinnen.“ Wobei das Programm seit Februar 2017 feststand und bekannt war. Schon am 19. April protestierte Prof. Dr. Moshe Zimmermann von der Hebrew University of Jerusalem in einem Brief an den Landesbischof Dr. Heinrich Bedford gegen diesen Skandal.

Die Berichterstattung der Medien, auch der linken, ließ jedoch auf sich warten.


Tutzing macht dicht

Diskussion über Frieden im Nahen Osten nicht erwünscht: Evangelische Akademie sagt Konferenz mit Israelis und Palästinensern ab
Von Rüdiger Göbel

Wer die israelische Regierungspolitik kritisiert, steht hierzulande rasch am Pranger. Zuletzt hat das selbst Bundesaußenminister Sigmar Gabriel im April merken müssen. Weil der SPD-Politiker und deutsche Vizekanzler bei seinem Israel-Besuch auch eine Zusammenkunft mit Vertretern dortiger Friedens- und Menschenrechtsgruppen wie Peace Now, Breaking the Silence und B’Tselem ins Programm hat aufnehmen lassen, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kurzerhand ein geplantes Gespräch mit ihm ab. Der Kabinettschef ließ verlauten, »er treffe sich nicht mit ausländischen Besuchern, die auf diplomatischen Trips in Israel Gruppen treffen, die israelische Soldaten als Kriegsverbrecher verleumden«. Nicht nur die auf bedingungslose Israel-Solidarität verpflichteten Redakteure des Boulevardblatts Bild sprachen von einer »peinlichen Abfuhr« und übernahmen die Stimmungsmache der Rechtsregierung gegen die »umstrittenen Aktivisten«.

In der Evangelischen Akademie Tutzing unweit von München ist derweil eine lange geplante Konferenz zum Nahostkonflikt und zu Möglichkeiten seiner Lösung abgesagt worden. Auf der hochkarätig besetzten Tagung sollte in der kommenden Woche über Menschenrechte in Israel und Palästina diskutiert werden. Eingeladen zu dem dreitägigen Treffen waren unter anderem der israelische Historiker Moshe Zimmermann, der frühere Knesset-Präsident Avraham Burg und die Publizistin Lizzie Doron, palästinensische und israelische Friedensaktivisten sowie der Grünen-Politiker Volker Beck und Ruprecht Polenz von der CDU. Das Programm stand seit Februar fest. Mitte April wurde die Veranstaltung mit einer nebulös-nichtssagenden Begründung abgesetzt bzw. auf unbestimmte Zeit verschoben. Es sei nicht gelungen, »alle für das Thema maßgeblichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in angemessener Zahl zu gewinnen«, ließ Akademie-Direktor Udo Hahn über die Website das Aus für die Tagung »Nahostpolitik im Spannungsdreieck. Israelisch-palästinensische Friedensgruppen als Lernorte für deutsche Politik?« verkünden.

Dabei wirbt die Evangelische Akademie selbst damit, »einen Raum für den unvoreingenommenen Diskurs« zu bieten. Es sei ihre Aufgabe, »die Suche nach Lösungen von Themen und Konflikten zu fördern«. Nachfragen von junge Welt, wer denn konkret alles fehle, blieben unbeantwortet. Nicht verraten will man in Tutzing, inwiefern israelische Regierungsstellen oder andere Gruppen gegen die Durchführung der Tagung interveniert haben.
Blende Fotowettbewerb

Die Tagung abzusagen spiele jenen in die Hände, »die an Dialog und Verständigung nicht interessiert sind«, kritisierte die Petra-Kelly-Stiftung die Entscheidung. Das setze »ein falsches Zeichen in schwierigen Zeiten«. Über die Absage war mit der Mitveranstalterin erst gar nicht diskutiert worden.

In einem offenen Brief protestiert auch Moshe Zimmermann mit einem Dutzend weiterer Gäste aus Nahost. »Die Begründung für die Absage lässt vermuten, dass sich unsere deutschen Gastgeber an die Haltung der israelischen Politik angepasst haben, die die Befürworter des Friedens für illegitim hält. Das betrübt und schockiert uns. Statt von Europa aus die Friedensbemühungen zu unterstützen, wird hier gegenüber den Hardlinern nachgegeben«, heißt es darin.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 21. April über die geschlossenen Räume in Tutzing unter der Schlagzeile »Ausgewogen oder antisemitisch? Tagung zum Nahostkonflikt abgesagt«. Wer Antisemitismusvorwürfe gegen das Tutzinger Treffen erhob, blieb unerwähnt. Dafür macht die Zeitung schon ein nächstes Ziel aus: »Am 24. Mai plant die jüdisch-palästinensische Dialoggruppe München einen Vortrag im Gasteig, also in städtischen Räumen, mit dem israelischen Journalisten Gideon Levy, der in Artikeln für die BDS-Kampagne (die israelisch-palästinensische Initiative Boycott, Divestment and Sanctions richtet sich gegen die Besatzungspolitik, jW) eintritt. Thema des Vortrags sind ›die seit 50 Jahren bestehende Besatzung der Palästinensergebiete und die politischen Optionen für deren Zukunft‹. Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte nach dem Vortrag über die BDS-Kampagne 2015 im Gasteig festgelegt, die Stadt werde vergleichbare Veranstaltungen künftig nicht mehr unterstützen.«

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 04.05.2017

 

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