Menschenrechte in den besetzten Gebieten

Der Sonderberichterstatters für die Generalversammlung der UNO über die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten

der vollständige Bericht hier: 18-01-15 UN-Sonderberichterstatter menschenrechte israel

Auszüge:

Zusammenfassung
Der Sonderberichterstatter über die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten S. Michael Lynk legt der Generalversammlung seinen zweiten Bericht vor. Der Bericht folgt dem Auftrag des Sonderberichterstatters in der Region vom Mai 2017 und stützt sich vor allem auf Informationen von Opfern, Zeugen, Vertretern der Zivilgesellschaft, Vertretern der Vereinten Nationen und palästinensischen Offiziellen in Amman, Jordanien. Der Bericht spricht eine Vielzahl von Sachverhalten an, die die Lage der Menschenrechte in der Westbank, einschließlich Ost-Jerusalem, und in Gaza betreffen.

  1. Einleitung

  1. Der vorgelegte Bericht vermittelt einen kurzen Überblick über die besorgniserregendsten Tatbestände bezüglich der Lage der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten zum Zeitpunkt der Vorlage des Berichts, die dem Berichterstatter in Gesprächen und bei Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft zur Kenntnis gebracht wurden. Sodann enthält der Bericht eine detaillierte Analyse des internationalen Rechtsrahmens der seit mehr als 50 Jahren andauernden Besatzung.

  2. Der Sonderberichterstatter macht darauf aufmerksam, dass er von den israelischen Behörden keine Genehmigung erhalten hat, seinen Auftrag in den besetzten palästinensischen Gebieten zu erfüllen. Er hat mehrfach um Genehmigung nachgesucht, die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete zu betreten, zuletzt am 24. März 2017. Bis zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts hat er keine Antwort erhalten. Der Sonderberichterstatter weist darauf hin, dass seinen beiden unmittelbaren Vorgängern der Zugang zu den besetzten palästinensischen Gebieten ebenfalls verweigert worden war. Er weist außerdem darauf hin, dass für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte ein offener Dialog zwischen allen Beteiligten unverzichtbar ist und betont, dass er bereit und willens ist, sich in diesem Sinne einzusetzen. Darüber hinaus macht er darauf aufmerksam, dass der Zugang zu den Gebieten ein wichtiger Bestandteil der lückenlosen Analyse der Lage ist. Die fehlende Kooperationsbereitschaft ist Anlass für ernsthafte Besorgnis. Ein vollständiges und umfassendes Verständnis der Situation, das auf unmittelbarer Anschauung beruht, wäre für die Tätigkeit des Sonderberichterstatters von äußersten Nutzen.

  3. Der Bericht stützt sich hauptsächlich auf schriftliche Stellungnahmen und Gespräche mit Repräsentanten der Zivilgesellschaft, Opfern, Zeugen, palästinensischen Regierungsmitgliedern und Vertretern der Vereinten Nationen in Amman, Jordanien, während der jährlichen Mission des Sonderberichterstatters in der Region im Mai 2017.

  4. Der Sonderberichterstatter konzentriert sich gemäß seinem Auftrag im vorliegenden Bericht auf die Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch Israel.1 Er betont, dass die Menschenrechtsverletzungen, egal ob sie von Staatsorganen oder nichtstaatlichen Verursachern begangen werden, bedauerlich sind und die Friedensaussichten behindern.

  5. Der Sonderberichterstatter spricht der Regierung des Staates Palästina Dank und Anerkennung für die umfassende Zusammenarbeit bei der Erfüllung seiner Aufgabe aus. Er bedankt sich außerdem bei allen, die nach Amman gereist sind, um sich mit ihm zu treffen, und bei allen, die die Reise nicht antreten konnten und sich schriftlich oder mündlich geäußert haben. Der Sonderberichterstatter zollt den Aktivitäten der Verteidiger der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft Anerkennung und betont seine Verpflichtung, ihre Tätigkeit so intensiv wie möglich zu unterstützen.

  6. Der Sonderberichterstatter weist darauf hin, dass einige Gruppen auf Grund der Reisebeschränkungen durch die israelischen Behörden nicht in der Lage waren, nach Amman zu reisen, um sich mit ihm zu treffen. Das betraf vor allem Personen aus Gaza, die daher in einer Videokonferenz angehört wurden.

  1. Die gegenwärtige Lage der Menschenrechte

  1. Im fünfzigsten Jahr der Besatzung ist die Lage der Menschenrechte durch gravierende Verschlechterungen gekennzeichnet. Die Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts sowie die Folgen der Besatzung wirken sich auf alle Bereiche des Lebens der Palästinenser in der Westbank, einschließlich Ost-Jerusalem, und Gaza aus. Der vorliegende Bericht stellt keinen umfassenden Überblick über alle besorgniserregenden Tatbestände dar, sondern konzentriert sich auf die drängendsten aktuellen Sachverhalte.

  1. Gaza

  1. Seit April 2017 sieht sich Gaza einer ernsten Krise in der Elektrizitätsversorgung gegenüber, die sich im Laufe des Monats Juni weiter verschärft hat. Bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurde keine dauerhafte Lösung gefunden, so dass die Menschen in Gaza häufig mit maximal vier Stunden Stromversorgung pro Tag leben müssen.2 Gaza erlebt nach wie vor Stromabschaltungen von 18 bis 20 Stunden pro Tag, so dass die lebenswichtigen Dienstleistungen weitgehend nicht erbracht werden können.3 Als Folge dieser Krise ist das Recht auf Gesundheit besonders gefährdet, da Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen durch die Stromabschaltungen ernsthaft beeinträchtigt werden. Krankenhäuser verschieben Operationen, es sei denn, es handelt sich um Notfall-Operationen, und sind gezwungen, Patienten vorzeitig zu entlassen. Außerdem ist eine verlässliche Wasserversorgung nicht gewährleistet, so dass die meisten Haushalte lediglich alle 3 bis 5 Tage für einige Stunden mit Wasser versorgt werden und die Entsalzungsanlagen nur mit 15 % ihrer Kapazität arbeiten. Es wird berichtet, dass täglich mehr als 108 Millionen Liter ungeklärter Abwässer in das Mittelmeer entsorgt werden.4 Die WHO weist darauf hin, dass bisher “der vollständige Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung“ nur durch gezielte humanitäre Maßnahmen verhindert werden konnte.5

  2. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die humanitäre Krise in Gaza – sowohl die aktuelle gravierende Verschlechterung der Situation als auch die humanitäre Krise während der letzten zehn Jahre – ausschließlich auf Entscheidungen der beteiligten Akteure zurückzuführen ist. Die gegenwärtige Krise in der Versorgung mit elektrischer Energie – Folge der Reduzierung der Elektrizitätslieferungen durch Israel nach Gaza, die ihre Ursache in einer Entscheidung der Palästinensischen Autonomiebehörde hat, welche auf den politischen Konflikt zwischen Hamas und Fatah zurückzuführen ist – wäre vollständig zu verhindern gewesen. Zudem ist Israel als Besatzungsmacht6 verpflichtet, in den besetzten Gebieten sowohl ausreichende Hygiene- und Gesundheitsstandards als auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln und die ärztliche Betreuung sicherzustellen.7 Der Sonderberichterstatter ruft alle Beteiligten auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem Internationalen Recht und dem humanitären Völkerrecht gegenüber den Menschen in Gaza nachzukommen.

  3. Die Probleme der medizinischen Versorgung, die durch die unzureichende Stromversorgung bedingt sind, werden für die Patienten, die Gaza wegen einer medizinischen Behandlung verlassen wollen, durch die zunehmenden Schwierigkeiten am Erez-Übergang verschärft. Der Anteil von Verweigerungen von oder Verzögerungen bei der Erteilung von Passierscheinen ist in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 gestiegen.8 Die Situation war auch im Juli 2017 besorgniserregend. Im Juli 2017 wurden 42,6% der Passierschein-Anträge abgelehnt oder die Bearbeitung wurde verzögert (787 Anträge).9 Bei Verzögerungen der Bearbeitungszeit besteht die Gefahr, dass Patienten Termine verpassen und dringende Behandlungen verschoben werden müssen. Im August 2017 starben fünf Krebs-Patienten, während sie auf die beantragten Passierscheine warteten.10

  1. Die Westbank

  1. Im vorigen Bericht hatte der Sonderberichterstatter über den starken Anstieg der Ankündigungen neuer Siedlungsbau-Aktivitäten zu Beginn des Jahres 2016 berichtet.11 Peace Now berichtet, dass seit Beginn 2017 die Errichtung von 2858 Wohneinheiten ausgeschrieben wurde – eine deutliche Steigerung gegenüber 2016 (42 Wohneinheiten) und eine größere Anzahl als für die letzten zehn Jahre berichtet wurde.12 Außerdem hat Ministerpräsident Netanyahu, zum ersten Mal seit 25 Jahren, die Errichtung einer neuen Siedlung angekündigt, für die das Gelände im Juni bereits vorbereitet wurde.13

  2. Darüber hinaus gibt es mehrere Verlautbarungen von Politikern, in denen die Fortsetzung des Siedlungsbaus und in vielen Fällen die Annektierung von Land gefordert wird.14 Zu Beginn des Jahres wurde berichtet, dass Ministerpräsident Netanyahu während eines Treffens mit Mitgliedern des Sicherheitskabinetts verkündet hat, dass er alle Beschränkungen für die Bautätigkeit in Ost-Jerusalem aufgehoben habe und dass er auch in der Westbank den Siedlungsbau beschleunigen werde.15

  3. Diese Erklärungen im Zusammenhang mit der Realität des Ausbaus der Siedlungen und den deutlichen Ankündigungen neuer Baumaßnahmen schließen die Zweistaatenlösung quasi an einen Herzschrittmacher mit nachlassender Herzfrequenz an und untermauern die Fortsetzung der mit den Siedlungen verbundenen Verletzungen der Menschenrechte, zu denen die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und des Rechts auf Bildung und Gesundheit sowie die Vergrößerung des Risikos von Festnahmen und willkürlicher Haft und des Raubes von Land und Bodenschätzen gehören, wodurch das Recht der Palästinenser auf eine gedeihliche Entwicklung blockiert wird. Außerdem werden, wie im diesjährigen Bericht des Berichterstatters an den Menschenrechtsrat ausgeführt, Palästinenser und Israelis, die die Aufmerksamkeit auf die Verletzung der Menschenrechte lenken, zunehmend verfolgt – in der Westbank durch Festnahmen und willkürliche Haft und in Israel durch gegen sie gerichtete Kampagnen und Gesetze, mit denen die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen delegitimiert werden.16

  1. Ost-Jerusalem

  1. In Ost-Jerusalem wie in der übrigen Westbank geben sowohl die Siedlungen als auch die Hauszerstörungen und die Vertreibung von Palästinensern Anlass zu großer Besorgnis. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat am 2. Oktober 2017 seine Unterstützung für das Greater Jerusalem Bill angekündigt – ein Gesetz, durch das die Stadtgrenzen von Jerusalem erweitert würden, so dass mehrere Siedlungen in das Stadtgebiet einbezogen würden.17 Maßnahmen wie diese werden weiterhin begleitet durch eine große Anzahl von Hauszerstörungen und Ausweisungen palästinensischer Einwohner Ost-Jerusalems – von Beginn des Jahres bis Mitte September 2017 wurden 116 Hauszerstörungen gemeldet, durch die 202 Menschen obdachlos wurden.18 Die Hauszerstörungen werden von der Besatzungsmacht entweder mit ordnungspolitischen Gründen (wenn Häuser ohne Genehmigung gebaut wurden, wenngleich es für die Palästinenser nahezu unmöglich ist, Baugenehmigungen zu bekommen)19, oder als Strafmaßnahme gegen Familien von Straftätern oder behaupteten Straftätern gerechtfertigt.20

der vollständige Bericht hier: 18-01-15 UN-Sonderberichterstatter menschenrechte israel

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