Zwei Demokratien statt eines Apartheid-Staates

Detlef Griesche mit Abdallah Frangi am 6, März 2018 in Bremen

Der Weserkurier hat am 14. März 2018 den folgenden Gastkommentar von Dr. Detlef Griesche abgedruckt. Griesche war von 1982 bis 1991 für die SPD in der Bürgerschaft und ist jetzt Mitglied im erweiterten Präsidium der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft und im AK Nahost Bremen.

„Die Ächtung und Verfolgung von Antisemitismus ist ohne jeden Zweifel gesellschaftlich notwendig. Wenn jedoch die Diskussion wie aktuell immer schärfer umschlägt und sogar konstruktive friedensorientierte Kritik an der israelischen Besatzungspolitik und ein kritischer Diskurs in Antisemitismusvorwürfe und Diffamierung von Friedensaktivisten in Israel wie in Deutschland mündet, dann wird der Anti-Antisemitismus politisch missbraucht und führt zur Einschränkung von demokratischen Grundrechten wie Meinungs-und Versammlungsfreiheit.

Leserbrief im Weserkurier v. 14.05.2018

Selbst in Israel mehren sich die Stimmen von Wissenschaftlern, Schriftstellern und ehemaligen Verantwortlichen aus Politik, Militär und Geheimdienst, die ähnlich, wie der Holocaust-Überlebende und bedeutende Philosoph Zeev Sternhell, „die Besatzung als größtes Desaster der modernen Geschichte seit der Schoa“ sehen. Die Einschränkung von Rechten für NGOs, Rassegesetze gegen die Rechte der Palästinenser, gezielte Schüsse mit scharfer Munition durch eine hochgerüstete Armee auf unbewaffnete Demonstranten, die demonstrative Verlegung der amerikanischen Botschaft am 14.Mai nach Jerusalem, um nur einige aktuelle Beispiele neben den jahrzehntelangen Schikanen an Checkpoints, der Zerstörung von Tausenden Häusern und Plantagen, willkürlichen Verhaftungen ohne Anklagen und die voran getriebene Siedungspolitik zu nennen, zeigt, wie die „einzige Demokratie in Nahost“ beim „Prozess der Selbstzerstörung“ voranschreitet.

Berühmte Autoren wie Amos Oz und David Grossman sehen, „dass die Demokratie langfristig an der Besatzung zugrunde geht“ und dass Israel „die letzte westliche Kolonialmacht“ ist. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses Lauder schrieb jüngst, dass „solche kurzfristige israelische Politik eine irreversible Ein-Staat-Realität (schafft)“. Und das bedeutet, wenn Palästinenser dann volle Rechte bekämen, wäre dies kein jüdischer Staat mehr, aber ohne Rechte wäre das keine wie auch immer gestaltete Demokratie mehr – sondern ein Apartheidstaat! Erinnert wird hier auch an die zionistischen „Ideale“ und Einstellungen, wie sie nicht nur rechtsradikale Siedlerpolitiker mit rassistischen Äußerungen vertreten, sondern schon früh schrieb etwa Ben Gurion in seinen Tagebüchern „Wer Zionismus vom moralischen Standpunkt betrachtet ist kein Zionist“. Von all dem und den jahrzehntelangen völkerrechtswidrigen Unterdrückungsformen kein Wort in den großen Reden und Feiern zum 70. Geburtstag Israels in diesen Tagen. Zum Geburtstag des Staates Israel fallen die Reden besonders laut aus, weil jeder im Grunde weiß, dass die Realität derzeit ganz anders aussieht. Nie wieder Rassismus, Toleranz der Völkerrechtsnormen, diese Lehren aus dem Faschismus sollten eigentlich auch und gerade heute für Israel gelten. Nur ein demokratisches Israel neben einem demokratischen Palästina in den früheren Grenzen würde die weltweite Akzeptanz gewinnen und könnte zum Frieden im Nahen Osten beitragen. Kritik an der Besatzungspolitik ist somit kein Antisemitismus und wichtiger denn je!“

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